Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen

Sexueller Missbrauch
Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen
Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen ist ein Thema, das viele Eltern verunsichert. Sie fragen sich: „Was können wir tun, um unser Kind vor sexuellen Übergriffen zu schützen?“ Hier bekommen Sie Rat und Hilfe.
LKA NRW

Sexueller Missbrauch… geht uns alle an!

Das Wissen über das Phänomen und seine Ausmaße ist eine wesentliche Voraussetzung, um Mädchen und Jungen schützen zu können, ihnen Hilfe anzubieten und Sicherheit im Umgang mit dem Thema zu erlangen. Fundiertes Wissen schützt zudem vor unnötiger Panik und Hysterie.

Viele Fragen zum Thema beantwortet das anonyme und kostenlose Hilfe-Portal des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Missbrauchs (UBSKM), dass mit einer vereinfachten Suchfunktion und einem erweiterten Angebot die notwendige Unterstützung erleichtert. Mehr dazu lesen Sie in der Pressemitteilung.

Was ist sexueller Missbrauch?

Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ist jede sexuelle Handlung, die an oder vor einem Kind oder einer/einem Jugendlichen vorgenommen wird. Der Täter oder die Täterin nutzt seine beziehungsweise ihre Macht- und Autoritätsposition aus, um eigene Bedürfnisse auf Kosten des Mädchens oder des Jungen zu befriedigen.

Missbrauch liegt auch vor, wenn Mädchen oder Jungen die sexuelle Handlung nicht ausdrücklich ablehnen. Denn aufgrund des Machtgefälles können sie einer solchen Handlung nicht verantwortlich zustimmen und sind somit immer unterlegen. Dies ist eine wichtige Klarstellung, weil eine bekannte Argumentation von Tätern und Täterinnen lautet, dass das Kind selbst es wollte.

Sexueller Missbrauch ist eine Straftat!

Sexueller Missbrauch von Kindern ist gemäß § 176 und § 176 a Strafgesetzbuch (StGB) eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung und schützt die ungestörte Entwicklung der sexuellen Selbstbestimmung von Kindern.

Der Gesetzgeber hat jegliche sexuelle Einwirkung einer strafmündigen Person (ab dem 14. Lebensjahr) auf Kinder unter 14 Jahren gem. §§ 176 ff. StGB unter Strafe gestellt. Neben körperlichen Berührungen mit sexueller Absicht oder Handlungen, die Kinder an einem Täter oder einer Täterin oder einem Dritten vornehmen müssen, ist auch das Zeigen pornografischer Darstellungen und das sexualisierte Einwirken durch Reden oder Chatten auf Kinder strafbar.

Durch den § 182 StGB sind auch Jugendliche, Mädchen und Jungen zwischen 14 und 18 Jahren, vor sexuellem Missbrauch geschützt, wobei freiwilliger Sex unter Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren grundsätzlich straffrei ist.

§ 174 StGB behandelt den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen und schützt Mädchen und Jungen unter 16 Jahren, die jemandem zur Erziehung, Ausbildung oder zur Betreuung anvertraut sind sowie leibliche oder angenommene Kinder unter 18 Jahren. Jede sexuelle Handlung mit oder im Beisein des Schutzbefohlenen ist gemäß § 174 StGB grundsätzlich verboten. Auch der Versuch des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen ist strafbar.

Die Opfer

Angaben zu polizeilich bekannt gewordenen Fällen sexuellen Missbrauchs sind in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) registriert.

Opfer sexuellen Missbrauchs sind überwiegend Mädchen, aber auch Jungen sind betroffen. Die meisten Kinder sind zum Zeitpunkt der Missbrauchshandlungen zwischen sechs und dreizehn Jahre alt, jedoch sind auch Säuglinge und Kleinkinder sexueller Gewalt ausgesetzt.

Einen Überblick über Daten und Fakten der polizeilich registrierten Fälle, Opfer und Tatverdächtige sexuellen Missbrauchs von Kindern gibt das aktuelle Lagebild „Jugendkriminalität und Jugendgefährdung in NRW“, herausgegeben vom Landeskriminalamt NRW.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) und das Lagebild „Jugendkriminalität und Jugendgefährdung in NRW“ finden Sie im Bereich Statistik/Service.

Anzeichen, die auf sexuellen Missbrauch hindeuten können

Missbrauch kann unterschiedliche Folgen haben. Die Folgen sind abhängig von der Intensität und Dauer des Missbrauchs und vom Grad der Abhängigkeit des Opfers zum Missbrauchenden. Eine wichtige Rolle spielt die Persönlichkeit des Opfers sowie seine Einbindung in soziale Beziehungen. Zwangsläufige Verhaltensänderungen gibt es nicht.
Selten weisen körperliche Verletzungen auf einen sexuellen Missbrauch hin. Verhaltensänderungen wie Ängstlichkeit, Rückzug, Nervosität, Aggressivität, sexualisiertes Verhalten können auf einen sexuellen Missbrauch hindeuten – sie können aber auch andere Ursachen haben. In jedem Fall sollten Verhaltensänderungen abgeklärt werden.

Täter und Täterinnen

Sexueller Missbrauch von Kindern wird überwiegend von Männern, selten auch von Frauen, verübt. Täter und Täterinnen stammen aus allen Alters-, Gesellschafts- und Bildungsschichten. In der Regel besteht eine Beziehung zwischen Täter und Opfer.

Sexueller Missbrauch ist häufig eine Tat, die von langer Hand geplant ist. Das bedeutet, Täter und Täterinnen knüpfen im Vorfeld eine Beziehung zu dem Kind, bauen ein Vertrauensverhältnis auf und verpflichten das Kind zum Schweigen. Durch besondere Aufmerksamkeiten oder Geschenke kann eine Abhängigkeit erzeugt werden, aus der sich das Kind schwer allein lösen kann.

Ca. ein Fünftel der registrierten Tatverdächtigen sind Jugendliche. Derartiges sexuell übergriffiges Verhalten von Jugendlichen kann verschiedene Ursachen haben – eigene Gewalterfahrungen als Kind oder Jugendlicher können eine Rolle spielen. Der Wunsch Macht auszuüben sowie Defizite bei der Einhaltung von Grenzen können dem Verhalten zugrunde liegen. Sexuell übergriffige Jugendliche haben ein Recht auf Hilfe. Sie brauchen qualifizierte Unterstützung.

Prävention

Die wichtigsten Ansprechpartner für Prävention sind Sie als Erwachsene bzw. Eltern. Unterstützen Sie Ihr Kind dabei, selbstbestimmt mit sich und seinem Körper umzugehen.

  • Sprechen Sie mit Ihrem Kind altersangemessen über Sexualität.
  • Helfen Sie Ihrem Kind dabei, auf seine Gefühle zu achten und sich von anderen nicht davon abbringen zu lassen.
  • Ermutigen Sie Ihr Kind, seine Grenzen zu zeigen und Hilfe zu holen.
  • Vermitteln Sie, dass man über schlechte Geheimnisse reden darf. Das ist kein Petzen – und kein Verrat!
  • Zeigen Sie im Alltag, dass Sie für Ihr Kind da sind, damit es auch im Notfall Ihre Hilfe sucht.
  • Machen Sie klar, dass von sexueller Gewalt betroffene Kinder keine Schuld daran haben.

Hinweise zu einer vorbeugenden Erziehung – praktisch, alltagsnah und umsetzbar – finden Sie in dem Elternratgeber der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS) Nordrhein-Westfalen e.V. „Gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen“ , der übersichtlich und prägnant die wesentlichen Probleme aufgreift und differenzierte Hintergrundinformationen sowie praktische Tipps gibt.

Informationen zur rechtlichen Definition und zur Strafbarkeit von sexuellem Missbrauch finden Sie in der Broschüre „Mutig fragen- besonnen handeln“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Zur Unterstützung Ihrer Erziehung werden Selbstbehauptungskurse, beziehungsweise Selbstsicherheitstrainings für Kinder angeboten. Das immer größer werdende Angebot von Selbstsicherheitstrainings ist im Einzelnen kritisch zu prüfen.

Der Flyer der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS) Nordrhein-Westfalen e. V. und des Deutschen Kinderschutzbundes Landesverband NRW e.V. „Trainings für Kinder und Jugendliche gegen Grenzverletzungen und sexuelle Übergriffe – Qualitätsstandards für Fachkräfte und Eltern“ gibt Hinweise für die Auswahl eines qualitativ guten Anbieters.

Rat und Hilfe

Ansprechpartner vor Ort sind Jugendämter und Beratungsstellen (kommunale, kirchliche und freie Träger). Ebenfalls weiterhelfen können der Deutsche Kinderschutzbund, Kinderschutzambulanzen, Ärztliche Anlaufstellen oder Pro Familia. Die Polizei ist im Notfall über 110 zu erreichen.

Für Kinder und Jugendliche steht die Nummer gegen Kummer, Tel.: 0800-1110333, (Montag bis Samstag zwischen 14.00 Uhr und 20.00 Uhr) zur Verfügung.

Weitere Informationen zum Thema „Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen“ finden Sie unter http://www.missbrauch-verhindern.de/

Adressen von Beratungsstellen in Ihrer Region erhalten Sie unter http://www.hilfeportal-missbrauch.de/startseite.html

Erfahren Mütter oder Väter von einem sexuellen Missbrauch, fragen sie sich häufig, ob sie eine Strafanzeige erstatten sollen. Eine Anzeige kann bei jeder Polizeidienststelle, der Staatsanwaltschaft oder beim Gericht erfolgen. Es empfiehlt sich, die Anzeige bei der Polizei beim zuständigen Kommissariat für Sexualdelikte zu erstatten. Hier arbeiten Beamtinnen und Beamte, die speziell für die Befragung von Kindern geschult wurden.

Sobald die Polizei oder die Staatsanwaltschaft von einer Straftat Kenntnis erhält, sind sie verpflichtet, ein Strafverfahren einzuleiten (§163 Strafprozessordnung). 

Zivilrechtliche Ansprüche wegen sexuellen Missbrauchs verjähren seit 2013 erst in 30 Jahren. Sie können so lange also eingeklagt werden. Diese 30-Jahres-Frist gilt für alle Missbrauchsfälle, die sich seit 2013 ereignet haben. Sie gilt aber auch für Ansprüche, die zwar vor 2013 entstanden sind, 2013 aber noch nicht verjährt waren.

Hier finden Sie weitere Informationen zu Schadensersatz, Entschädigung und Verjährung.

Psychosoziale Prozessbegleitung

Seit dem 01.01.2017 haben besonders schutzbedürftige Verletzte einen Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung während des gesamten Strafverfahrens. Sie wirkt als entlastende Hilfestellung durch professionelle Fachkräfte und hat weder den Charakter einer Psychotherapie, noch einer rechtlichen Beratungsfunktion.

Die Beiordnung muss bei Gericht beantragt werden, bei Beiordnung entstehen dem Opfer keine Kosten.

Weitere Informationen unter https://www.justiz.nrw/BS/opferschutz/psychosoz_prozessbegl/index.php

Sollten Sie zweifeln, eine Anzeige zu erstatten, so ist dennoch eine unverzügliche Spurensicherung beim Opfer erforderlich, um eine spätere Beweisführung abzusichern. Hierzu kontaktieren Sie die Kinderschutzambulanz, eine Fachberatungsstelle wie den Kinderschutzbund, den Frauennotruf oder den Opferhilfeverein WEISSER RING e.V. Diese leisten Hilfestellung beim Kontakt zu rechtsmedizinischen Instituten, die entsprechende Untersuchungen und Spurensicherung durchführen.

Adressen von Beratungsstellen in Ihrer Region finden Sie hier: http://www.hilfeportal-missbrauch.de/startseite.html

 

Literatur zum Thema

"Mutig fragen – besonnen handeln", Broschüre des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/mutig-fragen-besonnen-handeln-95882

"Gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen", Broschüre der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz, Landestelle NRW e.V. (kostenpflichtig) http://www.ajs.nrw.de/index.php/service/bestellungen/shop/category/view/4.html

"Missbrauch verhindern" Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes http://www.hilfeportal-missbrauch.de/startseite.html

 

Materialien für Mädchen und Jungen

"Kein Küsschen auf Kommando", Marion Mebes, Lydia Sandrock
"Schön Blöd", Ursula Enders, Dorothee Wolters
"Komm mit – hau ab!" Zartbitter Köln, Lieder für starke Mädchen und Jungen
"LiLoLe Eigensinn", Ursula Enders, Dorothee Wolters

In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110